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 Ahnenkult

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KaSt
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Anmeldungsdatum: 20.11.2011
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BeitragVerfasst am: 12.03.2012, 15:06    Ahnenkult Antworten mit ZitatNach oben

Wir sind mittlerweile in Saigon angekommen, konnten uns ein wenig aklimatisieren und da wir in unserem "Lieblings Phó Imbiss" einen Ahnenschrein mitten im Laden entdeckt haben, kam die Frage auf, was in einen "anständigen Schrein" gehört und warum. Wann man welche Räucherstäbchen zu welcher Gelegenheit abfackelt und sowieso und überhaupt sind wir auf der Suche nach Informationen zu diesem Thema.
DANKE!

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Catinat
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BeitragVerfasst am: 12.03.2012, 21:09    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Herzlich Willkommen in Vietnam.

“Religion” ist in Vietnam oft regionales Brauchtum.

Die Geschichten , die zu Bildern fuehrten, sind “gewandert” und haben sich stark veraendert , leben regional aber sehr bestaendig.

Zu der Story der Drei auf den Altaeren gibt es so viele Versionen wie es Orte gibt.

Ich erzaehle mal “kurz”, Verzeihung, nur eine von vielen .
Thổ công, Thổ địa, Thổ kỳ aus China , die in Vietnam zu ‘Táo Quân’, ‘Thổ Công/ Ông Cong’ und ‘Ông Táo’ wurden. Als die Geschichte aus China nach Vietnam wanderte, wurde die Trilogie erzaehlt als Geschichte von einer Frau , Frau Thi Nhan, und zwei Ehemaennern. Als kinderloses Ehepaar lebte Thi Nhan schon lange mit Trong Cao – aber auch so oft im Streit, bis er eines Tages den Zoff ueber hatte und abhaute (Nach dem Motto : “Ich geh nur mal schnell n paar Zigaretten holen”) . Sie heiratete noch einmal - den Pham Lang. Sie konnten aber einander nicht vergessen und weinten, als eines Tages Tron Cao zurueckkam und sie besuchte. Als sie Pham Lang kommen sahen, versteckte Thi Nhan den Tron Cao in einem Heuschober hinter dem Haus. Nichtsahnend steckte Pham Lang das Heu an, um Duenger daraus zu machen. Als Thi Nhan ihren Ex verbrennen sah, stuerzte sich die Gute ins Feuer hinterher und zuletzt in diesem Drama verbrannte auch noch Pham Lang. Nach dem Volksglauben darf man in dieser Zeit keine Unterhosen kaufen, denn die sind ja bei der Katastrophe verbrannt.

Den Jadekaiser , Ngọc Hoàng, ruehrte die Geschichte und er ernannte Pham Lang zu Thổ Công , Hueter(in) aller Kuechenarbeiten , Trong Cao zu Thổ Địa , zustaendig fuer Hausarbeiten, und Thi Nhan zu Thổ Kỳ, fuer Nahrungsbeschaffung und Shopping.

Die Popularitaet hat noch eine weitere Ursache : die Armut ông Táo’s ,trotz seiner Goettlichkeit. Man schaue nicht unter den Saum seines Gewandes : er kann sich seit dem Verlust im Feuer keine neue Unterwaesche mehr leisten . “Schiesser” aus Deutschland kommt ihm aber entgegen : das Garn fuer die Unterwaesche kommt aus Vietnam.

Wie gesagt : das ist nur eine unter ganz vielen Versionen und Vermengungen . Fuer mich dadurch spannend, weil sich das weibliche Element als typisch vietnamesischer Kulturaspekt des sogenannten “Levirats” (die verheiratete Frau wird bei Zeugungsunfaehigkeit oder Unfall des Ehemannes durch den Bruder ersetzt) im Gegensatz zu den pruederen Chinesen veraendert, aber in der Dreiheit auch nicht verloren geht.

Noch einmal : es gibt viele andere Deutungen aus verschiedenen Orten, Gesellschaftsschichten und Zeiten. Ich kenne noch die eine oder andere .Meine hier gepostete ist nur eine und fuer mich besonders aufschlussreich .

Gruesse, Catinat

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su-tu




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BeitragVerfasst am: 13.03.2012, 11:51    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Hallo KaST,
was du eigentlich auf jedem Ahnenaltar findest, ist ein kleines Miniatur-Teeservice, eine kleine "Vase" mit trockenen Reiskörnern-, eine mit Salz, ein Behälter für die Räucherstäbchen, Blumenvasen, evtl. eine od. mehrere Flaschen Spirituosen+gefülltes Schnapsglas und dann alternativ, wenn irgendwelche besonderen Anlässe anstehen als "Opfergaben":
Papiergeld (Geistergeld), Zigaretten, Früchte, Süssigkeiten, Tees, Kaffees ect. in Schmuckverpackungen, "ausgewählte" Speisen.

Gebetet wir nach dem Monkalender am 1. und 15. (Mong 1+15) und je nachdem, wie "wichtig" das für einen ist.
Kann also neben herkömmlichen Anlässen wie Neujahr, Todestagen von verstorbenen Verwandten, ect auch vorkommen, dass man z.B. täglich vor Eröffnung seines Geschäftes (dort findet man meist einen kleinen Altar irgendwo im Eingangsbereich auf dem Boden) Räucherstäbchen verbrennt und ein kurzes Bitt-Gebet an seine Ahnen richtet.

Kleine Anmerkung zu deiner Lieblingssuppe, die "Phở" geschrieben wird. Es ist höllisch wichtig auf die korrekte Schreibweise, bzw Aussprache zu achten. Mitunter können sonst richtig üble Wörter dabei herauskommen.. :D

Kuck mal in einigen Tagen auf meinem Blog vorbei (auf dem der wundervolle Catinat übrigens Co-Autor ist). Ich habe da schon vor längeren alles für einen Eintrag zum Thema Ahnenaltar, bzw Ahnenverehrung vorbereitet und eine Menge Fotos geschossen.
Ich bin leider noch nicht dazu gekommen, dass zu posten, hoffe aber dass ich es in den kommenden Tagen mal schaffe.

LG

Su-Tu

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http://keovietnam.blogspot.com

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KaSt
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BeitragVerfasst am: 13.03.2012, 13:43    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Hallo Su-Tu,

das ist genau das, was ich gesucht habe..

Es ist nett, dass Du mich korrigierst und ich suche gerade wie verrückt den EDIT-Button um aus der Phó eine Phở (mir fehlt aber auch die vietnamesische Tastatur*schmunzelt*) zu machen.

Wir beginnen am Ende des Monats evtl. mit einem Sprachkurs. Nicht, dass ich auch nur im entferntesten denken würde, ich würde während unseres Aufenthaltes hier auch nur im Ansatz vietnamesisch lernen, aber vielleicht hilft es ja, solche faux pas zu minimieren.

Danke!


Zuletzt bearbeitet von KaSt am 13.03.2012, 13:49, insgesamt einmal bearbeitet

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KaSt
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BeitragVerfasst am: 13.03.2012, 13:47    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Hallo Catinat,

eine nette Geschichte um einen unschönen Umstand.

Ich bin fasziniert, wie viele Religionen ohne Probleme vermisch werden können, ohne sich wirklich aneinander zu reiben. Etwas, was mich noch beschäftigen wird.

Danke Dir!

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sg2night
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BeitragVerfasst am: 15.03.2012, 00:01    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Hallo,

Vietnam hat eine relativ alte Kultur, welche durch verschiedene chinesische Einflüsse geprägt ist. Nachfolgend versuche ich die Bräuche / Rituale, die meine Eltern bzw. Großeltern mir damals erzählt haben, wiederzugeben.
Vorweg ich komme aus Ho Chi Minh City, also können durchaus einige Bräuche regional bedingt abweichen.

Bei uns ist die rituelle Ahnenverehrung neben d. Buddhismus ein fester Bestandteil der familiären Tradition . Der Ahnenkult basiert auf der Annahme, dass der Mensch eine "Seele" besitzt. Nach dem Tod "lebt" die Seele weiter und ernährt sich von den dargebrachten Opfergaben (Nahrung, Räucherstäbchen etc..). Bis zur Wiedergeburt braucht diese Seele solche Opfergaben. Dafür kann die Hinterbliebenen von der Seele des verstorbenen Ahnen Schutz und verschiedene Wünsche erhoffen... werden aber keine Opfergaben gemacht /bzw. eingestellt, kehrt sie als (böser) Geist auf die Eerde zurück und kann durchaus Unheil stiften. Früher war d. Grab auch der Wohnort solcher Seelen. Nur ist es einfach unpraktisch jedes mal die Opfergaben bis zum Grab zubringen. Darum wurden sogenannte Hausaltäre (meistens an einer hohen Position im Haus) geschaffen. Die Opfergabe wird früher von dem erst-geborenen Sohn dargebracht, weswegen es damals wichtig war, dass die Familie einen männlichen Nachkommen hat. Heute bringen bei uns die/der Ranghöchste in der Familienhierarchie (bei uns die Oma) die Opfergabe am Todestag der verstorbenen Seele. Die ganze Familie versammelt sich, es wird festlich gegessen und getrunken.
Neben der Ahnenverehrung werden viele Gottheiten bei uns auch Speiseopfer gewidmet. Dabei ist der Jadekaiser der höchste Gott aller Gottheiten. Zu den zahllosen Göttern gehören außerdem Erdgottheiten (Ong dia), Herdgott (Ong Tao) etc...
Der Erdgott kennt sich bestens in der Stadt/Region aus, weswegen man ihm gerne Opfergaben macht, damit er Kunden ins Geschäft führt. Daher steht sein Schrein meist im Geschäft aufm Boden. Vlt verwechsele ich den auch mit dem Glücksgott (Than Tai).
Der Herdgott dagegen fliegt meist am Ende des Jahres gen Himmel um d. Jadekaiser Bericht zu erstatten. Darum wird er oft durch Süssigkeiten/Speiseopfer bestochen. Das Ritual nennen wir "Dua ong tao" bzw. "Don ong tao".
Wie gesagt, solche Bräuche/ Rituale werden von Generationen zu Generationen weitergegeben. Jede Familie hat da auch ihre eigene Interpretation. Daher existiert es auch so viele Versionen.

Gruß
sg2night

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KaSt
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BeitragVerfasst am: 15.03.2012, 03:16    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Danke sg2night,

wir waren naemlich etwas verwundert, da uns so viele am Boden befindliche Schreine begegnet sind. Aber damit erklaert sich auch dieses.

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Catinat
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BeitragVerfasst am: 15.03.2012, 08:27    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Ich liebe die Religionen mit vielen Goettinnen und Goettern, die so menschlich sind wie Mitglieder dieses Forums.

Wenn ich dann einige Zeit in den koestlichen Geschichten der “Genien” geschwelgt habe, beginnt in mir der Prozess der Hinterfragung mit dem genaueren Hinschauen . Dabei komme ich zu Aufweichungen, Randerscheinungen und zu Tabubruechen .

Totenkult. Ueber den Kult des “ Bốc mộ” , das Reinigen der Knochen eines Toten nach einer vorgeschriebenen Zeit im Zusammenmhang mit vielen Totenkultriten ist schon geschrieben worden :

http://www.forum-vietnam.de/go/viewtopic.php?t=6495&highlight=knochen .


Am Altar am Grab sollte immer frischer Reis sein , 7 x 7 Tage lang. Nach 100 Tagen wird der Altar abgebaut und das Bild des Toten dem Familienaltar zugestellt. Nach 2 Jahren findet die Feier zur Beendigung der Trauer statt.

Das fand auch gerade fuer meinen Ende 2009 in Deutschland verstorbenen deutschen Vater statt. Wir haben einen “abgespeckten” Hausaltar mit den Fotos von Vorfahren meiner Frau aus Vietnam und mit dem Hochzeitsbild meiner Eltern in Deutschland , und in Sài Gòn je einen auf jeder Etage – “moderner” , mehr mit Glas als die Altaere der Nachbarn . Aber meine Frau braucht das auch ; dabei ist sie Katholikin. Eine Glocke ist dabei und Bittbriefe werden auf den Altar draufgelegt. In der Kapelle einer kath. Kirche in Sài Gòn ist ausserdem fuer meine in Deutschland gestorbene Mutter noch eine Votivtafel angebracht.

Ich vermute, dass oft in Kulturen gerade solche Werte sehr hoch gehandelt werden, die im Grunde der Herzen der Menschen Zweifel ausloesen und alles andere als “selbstverstaendlich” sind .

Die verbindende gesellschaftliche Klammer ist dann die Tradition der Ritualisierungen.

Zaehlt mal die Naepfchen vor den Genien , (fast) immer eine ungerade Anzahl.

Bei meinem Interesse fuer Hausaltaere stosse ich immer wieder auf auch erheiternde “Profanisierungen”. So Thổ Công , Thổ Địa und Thổ Kỳ im praktischen 6erpack zu je 40.500 Dong “das Stueck” im Supermarkt sowie den Goetternachwuchs fuer die disneyliken Altaerchen der lieben Kleinen.

(Ein Stadtmotto von mir : In Sài Gòn ist alles kaeuflich.)

Eine andere Geschichte, sehr sehr traurig , der ich in diesem Zusammenhang schon Jahre nachgehe : wie geht man in der Erinnerung und im Kult mit der Person um, die sich umgebracht hat ? Das wird gerade eine ganz eigene hochinteressante Reportage bis tief in den Nerv der Kultur und gleichzeitig aus dem engeren Familienkreis.

Gruesse, Catinat

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Catinat
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BeitragVerfasst am: 15.03.2012, 08:31    Die Bilder Antworten mit ZitatNach oben

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Sind sie kaeuflich ?
Fuer den Nachwuchs ist gesorgt.

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