Dam Toai Tunnel – in Ba Lang An

Geschlecht: Alter: 19 Anmeldungsdatum: 27.06.2012 Beiträge: 943

Wie versprochen will ich hier Stueck fuer Stueck ein paar Dinge, Informationen zu "meiner" geliebten Region in Zentral-Vietnam, Quang Ngai mitteilen...

Sonntag den 1. Advent habe ich nach Feierabend gegen 14 Uhr eine kleine Spazierfahrt gemacht ohne festen Plan, einfach mal raus aus dem Loch.

Einige wissen, ich lebe exakt in der Mitte Vietnams in einer kleinen Provinzstadt und da ist es nur ein paar Minuten vom Strand oder den Bergen entfernt. Ideale Voraussetzungen fuer Aktivitaeten in der freien Zeit, landschaftlich wunderschoen.

Hier spielten sich bedauerlicherweise bekannte Schlachten und auch Kriegsverbrechen und in den vergangenen Jahrhunderten ab.

Wie dem auch sei, ich fuhr dann mal los, wollte ans Meer um mich irgendwo hin zulegen und Auszuspannen, es kam mal wieder anders. Auf dem Strandweg bei My Khe war Pinkelpause und irgendwie war der Ort meiner Erleichterung ein alter Schuetzenstand der Amis.
Ich musste da mal rein und in solchen Dingern, es gibt hunderte hier in der Gegend, ist ja nicht viel zu sehen, so auch in diesem, ausser Bauernkacke nix drin...
Find ich ja ganz putzig wie die Leute solche Mahnmale und Relikte vergangener, schlechter Zeiten nutzen, als Klo halt, so nach dem Motto:
Zuscheissen und gut ist...

Nicht weiter nachdenkend fuhr ich noch ein paar km in der gegend rum um dann vor dem Mahnmal des Dam Toai Tunnel in Ba Lang An, etwa 18km noerdlich von Quang Ngai Richtung Felsenkueste in den Wald abzubiegen.
Dieses Kliff eignet sich hervorragend zum Klettern, deshalb dachte ich da mal zu sehen, ob ich neue Pfade finde in die tosende Brandung am Fuss.

An dem Schild zum Mahnmal bin ich schon oft vorbei, mich interessieren solche Dinge eher nicht, diesmal war es anders, ich liess das Kliff erst mal lienks liegen und fuhr ca. 1km zu den Tunneln...
Dachte, musst ja doch mal schauen was da so geht.

Angekommen war es auf den ersten Blick eher unscheinbar, eine Freiflaeche mit Tuffsteinboden, umsaeumt von Wald, am hinteren Ende der Flaeche das Mahnmal, es stellt eine knieende Krankenschwester mit Fesseln und einen Arzt dar, der Flaggenstock steht auf 9 uhr...
Rechts und links der freien Flaeche sieht man je ein kleines blaues Haeuschen, nur mit 2 Seitenwaenden, vorn und hinten offen...
Bei naeherer Betrachtung fand ich dort jeweils einen Niedergang, eine Treppe in die Tiefe und erkannte die Haeuschen als Schutzdaecher gegen Regenwasser und Laub.

Die Treppen sind sehr eng fuer mich, ich naeherte mich und fuehlte eine warme, feuchte, muffige Luft aus den Tiefen aufsteigen, da war mir klar, Alter hier musst Du jetzt rein. Hab nicht lange nachgedacht und war schon ein paar Stufen abwaerts...

da rief mich meine Frau zurueck um darueber zu sprechen, bevor ich "zu ihnen" gehe.

Sie erzaehlte mir die Geschichte dieser Anlage und bat mich, vor Eintritt mit ihr zu den Toten zu beten und sie um Erlaubnis, Nachsicht fuer meinen Besuch zu bitten.
Wisst ihr, die moegen keine Bleichgesichter wie mich und es ist ja in etwa so, als ob jemand einfach in Dein Haus kommt und ohne Anmeldung darin herum stoebert...
Da hat sie natuerlich Recht gehabt und ich folgte ihrem Beispiel und bat allen Ernstes um Nachsicht fuer mein Vorhaben, ich glaube, nein bin nun fest ueberzeugt, das diese Massnahme richtig und wichtig war, am Ende auch fuer mich, denn die Geschichte dahinter ist sehr traurig.

Die Tunnelanlage war ein Lazarett in dem 68 Menschen umkamen, 66 darin und 2, eben die besagte und bildnerisch dargestellte Schwester und der Arzt auf dem Mahnmal dahinter.

Der Dam Toại Tunnel wurde von der lokalen Bevölkerung seit 1945 gegraben, um einen Schutz gegen die Angriffe von Franzoesischen Truppen bereitzustellen. Im Fruehjahr 1965 wurde der Tunnel erweitert , um mehr Platz für die Erstversorgung der lokalen Bevölkerung und die verwundeten Soldaten des Ost- Binh Son Schlachtfeld zu bieten .

Der Tunnel wurde in zwei Stockwerken, zick-zack förmig, die Vietnamesen sagen, in Form eines Drachen angelegt und war urspruenglich etwa 100 m lang, 1,6 bis 1,9 m hoch und 70 - 90cm breit. Nach dem Ausbau und Anschluss an Nebentunnel, Blindtunnel etc. erstreckte sich die gesamte laenge auf ca. 4km.

In den Tagen schwerer Kämpfe Anfang der 1960er Jahre aufgrund der starken Ueberfaelle und angespannten Blockaden durch die US-Armee wurden rund 300 verletzte Soldaten hier evakuiert. Der Tunnel wurde erweitert um Schutz und Platz fuer medizinische Geraete, für die Chirurgie und die notwendige Behandlung und Versorgung der verletzten Soldaten zu gewaehrleisten.

Am Morgen des 9. September 1965 , nach dem Verlust der Schlacht in Van Tuong, machten die US Truppen von Chu Lai einen Landfall auf Ba Lang An und endeckten den Tunnel . Sie zerstörten den Tunnel nach Sondierung mit Rauchgranaten unter Verwendung von Landminen.
Dabei wurden alle im Lazarett des Tunnels getoetet, alle Ärzte und Krankenschwestern, alle verwundeten Soldaten und Menschen der Zivilbevoelkerung, die dort in Behandlung waren.

Lebendig begraben !

Nur 5 von 67 Personen konnten anfangs gefunden werden, sie wurden wenige Meter oberhalb des Tunnels, Richtung Kueste bestattet, keiner kannte ihre Namen.
Die Behoerden von Quang Ngai liessen 1997 den Tunnel weiter ausgegraben und man fand die Überreste von 62 Menschen über 30 Jahre später, auch deren Identität ist bis heute unbekannt.

Die restlichen 62 wurden im gleichen militaerischen Massengrab am Mahnmal beerdigt wie ihre vorhergegangen Brueder.

Nicht alle Opfer waren Soldaten, aber sie starben als solche fuer ihr Vaterland!

Mit dieser Story im Kopf fiel es mir schwer, diese Stufen in die Vergangenheit hinab zu steigen. Ein Weg in ein Massengrab, ein Weg in eine Vergangenheit mit unsaeglichem Leid! Die Toten liegen 20m entfernt zusammen, in ihrem letzten Bett, im Schoss genau der Erde, in den ich gerade abtauche.
Ich stieg dann ein, bewaffnet mit meiner Taschlampe im Handy, in Form einer LED und ging, wie im Traum durch die Gaenge.
Ein bedrueckendes Gefuehl, absolute Stille, ich fuehlte mich selten so mies, so einsam und doch nicht alleine... In meinem Kopf spielte ein Kinofilm, Bruchstuecke dessen was man aus amerikanischen Kriegsfilmstreifen kennt, Kopfkino... schlimm und so hautnah nachvollziehbar, insbesondere deshalb, weil hier kein Tourismus herrscht, keine Fuehrungen stattfinden, alles so ist wie es war... STILLE!

Der Tunnel ist in gutem Zustand, natuerlich ausgebessert aber es sind viele alte Teile unversehrt geblieben.

Bis zum heutigen Tage wird der Tunnel, diese Anlage genutzt !

Ein paar Frauen, die vom Holzhacken kamen erzaehlten, das sie vor wenigen Tagen noch mit ihren Familien im Tunnel Schutz fuer Leib und Leben vor dem Taifun Haiyan suchten und das alles gut ging, sie froh sind um den Schutz den die Anlage bis heute seinen umliegenden Bewohnern gewaehrt...

Fuer mich ein Zeichen im Wandel der Zeiten, alles wird gut!

Viele Gruesse von einem tief bewegten, nachdenklichen

pacisso

Hinweis, ab da noch ein paar hundert Meter geradeaus...

Mahnmal, der Tunnel zum Teil ist unter der Freiflaeche davor, das Massengrab direkt dahinter.

Einstieg, war urspruenglich eine Rutsche, keine Treppe...

Talfart, ab gehts in die Tiefe mit flauem Gefuehl und Platz ist da ja nicht wirklich fuer mich...

Ausstieg, verschwitzt und erleichtert wieder raus auf der anderen Seite...

Da hat mir so ein ein Drecksack doch meinen Helm geklaut waehrend ich im Tunnel war... den krieg ich sicher, der Helm ist einzigartig in Vietnam... und dann folgt der Typ mir in das Loch was ich eben verliess... hahaha

Edit von Courti: Thema verschoben.