Portal  •  Forum  •  Profil  •  Suchen   •  Registrieren  •  Einloggen, um private Nachrichten zu lesen  •  Login   

 Hilft euch bei einem Unfall in Vietnam jemand oder nicht ?

Neues Thema eröffnenNeue Antwort erstellen
Autor Nachricht
Thomas W




Geschlecht:
Alter: 58
Anmeldungsdatum: 22.01.2003
Beiträge: 967
Wohnort: Hoian Vietnam


vietnam.gif

BeitragVerfasst am: 05.07.2013, 06:06    Hilft euch bei einem Unfall in Vietnam jemand oder nicht ? Antworten mit ZitatNach oben

Heute Morgen hatte ich eine Merkwürdige Situation erlebt.
Ich sehe einen alten Mann, den ich auf etwa 70 schätzen würde, am Stock die Strasse entlang dappeln. Er ist bekleidet mit einem weissen, wir würden sagen "Schlafanzug" und kommt nur mühsam voran.

Etwa 5 Minuten später starte ich mit meinem Motorrad und fahre die gleiche Strasse entlang, in die der Alte so mühsam gedappelt ist. Ich sehe ihn nach etwa 200 Metern am Strassenrand im Graben liegen. Mehrere vorausfahrende Mopeds drehen ihre Köpfe nach ihm, schauen und fahren weiter. Ich bin ebenfalls schon an ihm vorbei gewesen da dies alles so schnell ging und ich "mit dem Denken nicht mehr nach kam".

- Alle die vor mir fahren sehen ihn da liegen !
- Alle fahren vorbei !
- Keiner hält an !
- Was ist mit dem Alten ?
- Was soll man mit ihm machen ?
- Warum hält keiner an ?
- Ist es ein besoffener alter Penner ?
- 06.00 Uhr morgens schlafen besoffene Penner noch !?!
- ........ Ich bin auch schon an ihm vorbei !

Etwa 20 Meter danach komme ich zum stehen und parke ganz rechts am Strassenrand, da ja ständig weitere Motorräder von hinten nachkommen. Ich gehe zu dem alten Mann zurück und die nachfolgenden Mopedfahrer betrachten mich genau mit dem gleichen fragenden Blick wie den alten Mann im Graben. Er macht auf mich nicht dein Eindruck eines besoffenen Penners und sein weisser Schlafanzug ist ganz ordentlich. Der Alte versucht verzweifelt sich an seinen Stock klammernd wieder aufzurichten. Man kann sehen das ihn die Kräfte verlassen haben und er es nicht mehr alleine schafft sich aufzurichten. Ich helfe ihm sich aufzurichten und er stützt sich an seinem Stock ab aber ich traue mich nicht ihn loszulassen.

Was nun ? Was mache ich mit ihm jetzt ?
In diesem moment bemerke ich etwa 20 meter entfernt, genau gegenüber auf der anderen Strassenseite, aber etwas tiefer liegend im Garten, eine Frau bei Gartenarbeit. Sie steht da und beobachtet uns mit dem gleichen fragenden Gesicht wie die Mopedfahrer die an uns vorbei fahren. Ihre Hilfbereitschaft ist ganz enorm! Sie bleibt in ihrem Garten stehen und ruft mir rüber, ich soll ihn in die nächste Nudelsuppenküche, etwa 80 Meter entfernt bringen, denn da würde er immer Frühstücken.

Ich greife der alten, kleinen, leichten vietnamesichen Portion kräftig unter beide Arme und hebe ihn beinahe vom Boden ab. Im nu waren wir bei der Nudelsuppenküche und ich blicke dort wieder in lauter fragende Gesichter. Es war allerdings zu weit als das sie von hier aus mitbekommen haben könnten was passiert war. Sie deuten mir einen Sitzplatz an auf dem der Alte immer sitzen würde. Beim ablassen auf diesen "Kinderstuhl" bemerke ich das er eine etwa 4 cm lange aber kaum blutende Schnittwunde hatte. Erst jetzt beim schreiben erinnere ich mich das sie gar nicht tief war weil kaum Fleich vorhanden war. Es sah aus als wenn unter der Haut gleich der Knochen kam.

Ich sagte den Leuten in der Nudelsuppenküche auf Vietnamesisch: "Unfall, Krankenhaus, Arzt, nähen". Sie schauten mich immer noch mit diesem fragenden Blick an und regten sich nicht. Ich zog die am nächsten stehende Person am Arm und zeigte ihr die Wunde. Ich verstehe wie sie auf Vietnamesisch zu den anderen sagt das der alte Mann einen Unfall hatte und sie läuft wieder weg. Der alte Mann hatte wieder meine Hand gegriffen und Dankeschön, Dankeschön..... vor sich hin gesagt.

Keiner aus der Nudelsuppenküche regte sich und ich verschwand.....

Zuhause treffe ich meine Frau und begrüsse sie mit den Worten: "für Heute habe ich meine gute Tat schon gemacht". Ich berichte ihr was ich erlebt habe und kann ihre Reaktion / Antwort nicht fassen.
- bist du verrückt....
- was hätte da alles passieren können....
- mache soetwas nie mehr wieder...
- nehme niemals einen Verletzten mit dem Motorrad mit...

?!?
Ich habe mit allem möglichen gerechnet aber nicht mit diesen Worten. Meine Frau hat mir dann weiter erklärt was mir hätte passieren können. Hätte sich dieser alte Mann beim Sturz eine ernste Verletzung zugetragen und währe gestorben während ich ihn in meinen Händen hatte, dann wäre ich am Ende schuld an seinem Tot gewesen. Deshalb habe auch kein anderer vorbeifahrender angehalten. Es wäre mir am Ende unterstellt worden ich hätte etwas falsch gemacht und deshalb ist er gestorben. Wäre es ein Jüngerer Mann und würde in dieser Situation in meinen Händen sterben dann hätte ich in Zukunft seine Familie zu finanzieren, da ich ihn umgebracht hätte.

Ich erinnere mich wieder was mir meine Frau damals beim ersten Autokauf in Vietnam gesagt hatte: "Wenn du mal einen schweren Unfall hast und der andere Beteiligte liegt am Boden und rührt sich nicht mehr dann fahre ganz schnell weg, zur Polizei. Wenn du dann mit der Polizei wieder an den Unfallort zurück kommst dann bleibe aber hinter geschlossenen Scheiben im geschlossenen Polizeiwagen sitzen. Sollten Familienangehörige des Unfallopfers anwesend sein dann müsste ich damit rechnen das sie mich töten wollen da ich ja ein Mitglied ihrer Familie getötet hätte.

Ich erinnere mich noch an eine weitere Situation die ich vor Jahren innerhalb der Familie meiner Frau erlebt habe. Der Bruder meines Schwiegervaters hatte eine Hirnblutung und lag den ganzen Tag nur noch mit grossen Schmerzen im Bett. Eigentlich rechnete man jeden Tag damit das es zuende sein könnte.
Ich habe mit Deutschen Gästen eine Motorradtour aufs Land raus gemacht und da dieser kranke alte Mann der älteste in der Familie meiner Frau war, hatten wir uns bei ihm bei erreichen des Dorfes Anzumelden und beim verlassen wieder abzumelden. Meine Gäste waren Deutsche Ärzte und sagten spontan das sie im Hotel in Hoian schmerzmittel dabei hätten, die dem Alten noch einen schmerzfreien Monat bereiten könnten. Zurück in Hoian bekam ich von ihnen die Medikamente und überreichte sie stolz meiner Frau.
- bist du verrückt....
- was da alles passieren könnte....
- mache soetwas nie mehr wieder...
- ......

Die Erklärung damals war ähnlich wie die von Heute: "stelle dir vor wir bringen ihm die Medikamente und morgen stirbt er". Wir wären schuld an seinem Tot weil diese Medikamente ihn umgebracht hätten. Er bekam diese Medikamente nicht und litt weiter....


Brrrrrrrrr, was sind das für Sitten hier. Würde man mich in dieser Situation etwa auch im Graben liegen lassen ????? Auweia.......


Viele Gruesse aus Hoian
Thomas & Kim Yen

_________________
Geburt meiner Tochter in VN: http://hosting293.af914.netcup.net/gastautoren/182.html
Mein Hausbau in VN: http://hosting293.af914.netcup.net/gastautoren/184.html
Mein Grundstückskauf in VN: http://hosting293.af914.netcup.net/gastautoren/183.html

OfflineBenutzer-Profile anzeigenPrivate Nachricht sendenWebsite dieses Benutzers besuchen    
hoian1985
Gast



Geschlecht:
Alter: 38
Anmeldungsdatum: 21.05.2011
Beiträge: 367


germany.gif

BeitragVerfasst am: 05.07.2013, 06:41    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Kenn ich, meine Frau hat das ähnlich erzählt. Es ist nicht üblich bei Unfällen oder sonstigen Katastrophen zu helfen weil man ganz schnell in das Visier der Behörden geraten kann bzw. der beteiligten Familien.
Ich weis zwar nicht wie die Vietnamesen das mit ihrer buddhistischen Überzeugung übereinbringen, aber scheinbar ist die Angst vor der Polizei/Behörden größer...

Sie meinte immer zu mir: "Schau dass du noch jemand von der Familie anrufen kannst oder es IRGENDWIE selbst ins Krankenhaus schaffst."

Das Problem der anderen Mentalität im Bezug auf Hilfsbereitschaft gibt es im übrigen auch in anderen Ländern (z.B. Indien)

OfflineBenutzer-Profile anzeigenPrivate Nachricht senden    
wildgoose
Gast



Geschlecht:

Anmeldungsdatum: 24.07.2007
Beiträge: 1020
Wohnort: Wien - Ho Chi Minh City


blank.gif

BeitragVerfasst am: 05.07.2013, 07:30    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Also Mentalität hin oder her - es gibt ja noch einen gesunden Hausverstand. Meiner Meinung nach haben Leute mit dieser Einstellung doch eine gewaltig an der Waffel.

Für mich grenzt das ganze schon an "asozial".

lg, Paul

_________________
Vietnam Landmaps for GARMIN
FREE Download: eBook Medic Guide Vietnam

OfflineBenutzer-Profile anzeigenPrivate Nachricht sendenE-Mail sendenWebsite dieses Benutzers besuchenSkype Name    
pacisso




Geschlecht:
Alter: 19
Anmeldungsdatum: 27.06.2012
Beiträge: 943


vietnam.gif

BeitragVerfasst am: 05.07.2013, 07:32    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Hintergruende fuer dieses Verhalten auf VN Strassen sind unter anderem folgende:
1. Wer alleine hilft, ohne Zeugen, wird oft von den Familien, nicht Behoerden verantwortlich gemacht und zur Rechenschaft gezogen, fuer Folgeschaeden oder gar den Tod des Hilfsbeduerftigen.

2. wer einen Verletzten ins Krankenhaus bringt, muss auch zahlen, ohne Moos nix los. Einem Schwerverletzten hilft hier kaum einer der Aerzte ohne Kohle!


Was kann man in solchen Faellen tun?

1. Umgehend andere Personen anhalten oder herbeirufen und als Zeugen bitten, fuer den Fall, das hoechste Eile geboten ist und ernste Gefahr im Verzug!

2. Nachschauen ob der Verletzte ein Handy hat und damit versuchen jemanden der Familie zu erreichen um abzuklaeren ob er ins KHS kommen darf oder ob die Familie sich selbst kuemmert.

3. die Leute fragen ob sie die Person Familie kennen falls kein Handy da ist.

4. wenn nichts klappt und man ihn nicht sterben lassen will, dann in den sauren Apfel beissen, die kohle geben fuer die Behandlung und am besten mit einem Taxi und 1-2 Zeugen zur naechsten Unfallhilfe rasen und beten, das man selbst da heil wieder rauskommt....

Manche Familien erkennen die Hintergruende nicht schluessig und werden im Falle eines Falles, Geld verlangen oder gar das Leben des Helfers bedrohen, ganz je nach Stand und Bildung der Familie, meist sind die Angehoerigen jedoch verstaendig und danken einem fuer die Hilfe.

Das Geld fuer die Behandlung und Fahrt sieht man oft nicht wieder...
wer den Auftrag fuer einen anderen erteilt, zahlt!

Nun kann man eher nachvollziehen warum sich die Leute so verhalten.
- Die moeglichen Probleme sind gross
- Nicht jeder hat die Mittel im Auessersten Fall taetig werden zu koennen, wie gesagt, der Verletzte bleibt unbehandelt ohne Geld!
- die moegliche Gefahr fuer die eigene Person oder Familie im Ernstfall


Hintergrund fuer die vorliegende Information ist ein schwerer Unfall vor unserem Haus mit Schaedelbruch und inneren Blutungen, wir konnten dem Mann das Leben retten fuer 300.000VND (Taxi und Erstversorgung). Das Taxi weigerte sich erst, aber nachdem 2 Zeugen mitfuhren ging es dann doch mit Karracho ins Hospital und 6 Monate spaeter war er wieder auf den Beinen.
Er kam mal und dankte es, das Geld wollte meine Liebste nicht mehr von ihm zurueck haben obwohl er es in der Hand hatte, darueber war er sehr froh, da die kpl. Behandlung wohl das Vermoegen der ganzen Familie verschlang!


Vietnamesen sind keine schlechten Menschen und eher hilfsbereit!
Aber die Probleme koennen sich die meisten einfach meist finanziell nicht leisten, die durch Hilfe und Unverstaendnis entstehen koennen

HiddenBenutzer-Profile anzeigenPrivate Nachricht sendenYahoo Messenger    
Chevalier
Gast



Geschlecht:

Anmeldungsdatum: 15.02.2009
Beiträge: 77


germany.gif

BeitragVerfasst am: 05.07.2013, 08:04    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Hallo zusammen,
in solchen Situationen muss man beide Seiten kennen oder die Frau dabei haben die einen zurück hält.
Wir werden in D alle in Erste Hilfe beschult. Dazu kommt dass wir alle eine moralische Verpflichtung haben um zu helfen.

Bei dem was allerdings auf einen einfachen Vietnamesen zu kommen kann, Kosten für Krankenhaus usw. , verstehe ich auch dass man hier weniger helfen möchte.

Hier ein Beispiel, wie es mir in Nha Trang letztes Jahr passiert ist. Dank meiner Frau mischte ich mich nicht weiter ein.

Wir sitzen in einem Tour Cafe und warten auf unseren Bus, als es zu einem Streit zwischen dem Busfahrer und Angestellten im Büro kommt. Zunächst verbal und dann fliegen die Fäuste und Stühle. Danach bleibt einer am Boden liegen und die Zeit vergeht.
Ich wollte schon vorher dazwischen, so wie ich es daheim gewohnt bin. Da hielt mich meine Frau das erste Mal zurück. Dann wollte ich der Person am Boden helfen, da sie nicht aufstand und weitere Zeit verstrich. Augenscheinlich war die Person bewußtlos. Immer wieder beruhigte mich meine Frau, was ihr nicht leicht viel.

Das Schauspiel nahm seinen weiteren Lauf. Zwei Beamte der örtlichen Polizei kamen und taten zunächst auch nichts. Was mich wunderte. Als diese "Motivierten" Beamten dann mit der Chefin im Hinterzimmer verschwanden, stand der Verletzte auf. Eine wundersame Genesung??
Kurz darauf kamen die Beamten motivierter aus dem Büro zurück. Ich vermute mal, es gab einen kleinen Umschlag als Motivationshilfe.

Eine Stunde später stellte sich dann heraus, dass der vermeintlich Verletzte nun unser Busfahrer durch die Nacht war.
Ich habe mir dann erklären lassen, wenn es nicht ausgesehen hätte, als ob einer Verletzt gewesen wäre, dann wäre die Polizei gar nicht eingeschritten.

Also besser Füsse still haltnen und abwarten.

Lg Markus
P.S: Thomas zum Glück ist uns das vor 3 Jahren bei unserer TOur durch die Berge nicht passiert.

OfflineBenutzer-Profile anzeigenPrivate Nachricht senden    
Courti
Moderator



Geschlecht:

Anmeldungsdatum: 11.06.2007
Beiträge: 4421
Wohnort: Bayern


blank.gif

BeitragVerfasst am: 05.07.2013, 09:10    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Einer engen Verwandten von mir, nennen wir sie mal Lan, ist anfang dieses Jahres ähnliches passiert. Die fuhr (ohne Führerschein) mit ihrer Freundin auf deren Motorrad. Als plötzlich jemand auf die Strasse rannte stürzten beide. Lan blieb liegen und blutete aus dem Kopf. Ihre Freundin fürchtete sich vor Folgen, da keiner der beiden einen Führerschein hat und wusste sich nicht anders zu helfen als wegzurennen ohne danach irgendwen zu kontaktieren. Lan blieb liegen.

Glücklicherweise war gegenüber ein größeres Hotel mit einer eigenen Arztpraxis, zu dem Lan nach einiger Zeit von einem Touristen gebracht wurde. Der Arzt oder seine Helferinnen gaben ihr Schmerzmittel und legten sie ins Nebenzimmer. Dass sie aus dem Kopf blutete, störte zunächst niemanden.

Erst als die Blutung nach einigen Stunden nicht aufhörte, rief man ein Taxi, das sie ins Krankenhaus fahren sollte. Da Lan eine Schuluniform trug, machte man sich keine Sorgen um die Kosten dort: Schüler sind versichert - in staatlichen Kliniken.

Der Taxifahrer brachte sie also ins Krankenhaus, wo sie ins Koma versetzt wurde. Erst danach kam der Taxifahrer kam auf die Idee, die Tasche zu durchsuchen und im Handy nach Nummern zu suchen, um die Familie zu kontaktieren. Kurioserweise wurde das Motorrad der Freundin von der Polizei ebenfalls dorthin geliefert.

Lan erwachte nach einigen Tagen - zunächst mit Erinnerungslücken - jedoch ohne bleibende Schäden. Ohne Helfer wäre das nicht der Fall.



Noch kurz als Ergänzung zur Abgabe von Medikamenten:
Auch in Deutschland wird man bei Komplikationen zur Verantwortung gezogen, sofern man Medikamente ohne Berechtigung an Dritte gegeben hat. Wenn man nicht zufällig eine entsprechende Ausbildung durchlaufen hat, hat man diese Berechtigung nicht.
Das heisst: Gebt nichts, was es nur in Apotheken zu kaufen gibt weiter. Wenn ihr das für nötig haltet, dann lasst das Medikament irgendwo liegen und schaut weg, damit sich der Bedürftige von selbst bedienen kann.

_________________
Um einen Schmetterling lieben zu können, müssen wir auch ein paar Raupen mögen (Antoine de Saint-Exupéry)

HiddenBenutzer-Profile anzeigenPrivate Nachricht sendenWebsite dieses Benutzers besuchen    
Niko
Gast










BeitragVerfasst am: 05.07.2013, 11:25    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Mir ging es bei meinem Mopedunfall vor 5 Jahren ähnlich. Ich hatte einen Frontalcrash und lag wohl ein paar Minutenlang bewusstlos auf der Strasse. Keiner hat sich um mich gekümmert, doch viele Leute standen rum und gafften.

Nachdem ich meine Knochen wieder sortieren konnte und zum Glück nichts gebrochen war, hab ich mich auf mein ziemlich ramponiertes Moped gesetzt und bin ins Krankenhaus gefahren. Niemand der rumstehenden hat nur einen Finger gerührt, kein Taxi oder Xe Om wurde gerufen - gar nichts.

Als einzige Hilfe bekam ich das Angebot einer jungen Vietnamesin, mich zum Krankenhaus zu begleiten, was ich aber wegen Sinnlosigkeit abgelehnt habe.

Niko

Online    
Choki
Gast



Geschlecht:

Anmeldungsdatum: 05.04.2013
Beiträge: 199
Wohnort: Saigon


blank.gif

BeitragVerfasst am: 05.07.2013, 18:56    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Mit meinem Beitrag möchte ich das vorherig Geschilderte in keiner Weise dementieren. Ich sehe und höre genau das Geschilderte schon zu oft - und bin persönlich auch geschockt davon. Eben weil ich aus meiner Heimat her einen anderen Umgang mit Hilfsbereitschaft und Mitleid mit Hilflosen/Verletzten anerzogen bekommen hab.

Ich hab viele Bekannte/Arbeitskollegen, denen ist es ähnlich wie Niko und den anderen Geschilderten ergangen. Sie wurden liegengelassen.

 Sie sind teils erst sehr spät aufgewacht aus Bewußtlosigkeit, manchmal waren sie gar nicht mal bewußtlos. Aber von den "Umherstehenden" wurden sie - anstelle Hilfe zu leisten - erst mal von Mobile Phone und Geldbörse erleichtert, oft war sogar das Schrottmoped weg.

Ich muß wohl unendliches Glück gehabt haben bei meinem Unfall, der doch schon so schwer war, daß ich immer noch Kerzchen anzünde aus Dank, daß ich überlebt hab. Meine Narben erinnern mich ja nun auch täglich dran.

Ich war eines Mittags im Süden von Saigon unterwegs, im Q7, an sich einfach geradeaus. Danach hab ich ein Gedächtnisloch. Ich wachte auf im FV Hospital in der Notaufnahme, im Kittelchen mit Ärzten und Krankenpfleger/innen um mich herum.

Ich stammelte, sah meine Hände und jammerte. Barsch sagte eine Pflegerin: sei still, du hast noch ganz andere Sachen als bloß deine kaputten Hände. Ich versuchte mich zusammenzureissen. Mich zu erinnern. Wo bin ich? Was ist passiert?

Ich wurde durch CT und Röntgen geschickt, es wueden diverse Wunden behandelt, genäht. Als letztes kamen meine Hände dran. Ein Arzt (Vietnamese) sprach mich auf französisch an, ich hab nichts verstanden. Englisch half dann.

Als ich fertig zusammengeflickt wurde (aber doch sehr gut, das soll jetzt nicht negativ klingen), da ging die Sonne langsam unter, also wohl etwa 6pm. Soviel zum Zeitvergehen.
Sie fragten mich: möchtest du nach Hause oder hier in einem Krankenzimmer übernachten? Ich sagte: ich will nach Haus.

Das haben sie akzeptiert, und mir empfohlen jeden Tag zum Wundensäubern zu kommen. Ok soweit.

Dann: Wo sind meine Klamotten? Unterm Tisch, auf dem ich lag. Zerschunden und blutverschmiert. Meine Handtasche?? Auch da. Ok, wo ist mein Moped?? 

Es stand auf dem Krankenhausparklpatz, ziemlich demoliert, aber der Parkwächter wußte Bescheid, führte mich groß glotzend zu meinem Moped.

Ich hab noch nicht viel kapiert.

Ich wollte nach Hause fahren, suchte die Pedale, völlig verbogen, das Lenkrad, nur Schrott. Licht, natürlich kaputt. Ich fuhr los. Ohne zu fragen und zu sehen. Ich lebte damals im Q3. Ich hielt im Q5 an der Nguyen Trai an einer kleinen Werkstatt, die kannte ich. Und die kannten mich.

Bevor sie mein Moped nahmen, baten sie mir einen Stuhl an und einen Becher kaltes Wasser. Ein Halbkreis glotzender Menschen um mich herum, aber sie reparierten mir Pedale, Licht und Rückspiegel für 230.000 Dong. Und sie sagten good luck als ich weiterfuhr.

Am nächsten Morgen hab ich mich im Spiegel nicht wiedererkannt. Ich erspar euch das.
Aber täglich bin ich zum Wundensäubern. Ich hab anfangs, weil ich echt durch die Rolle war, einen Freund gefragt, auch Deutscher, daß er mich begleitet.
Er und meine Firma fragte zu recht: Wie um alles auf der Welt haben die dich in dem Zustand nach Hause mopedfahrenderweise gelassen?? Naja.

Ich managte irgendwie die für fast 2 Wochen täglichen Wundsäuberungen. Nach 3 Wochen "erzwang" ich mir die "ready to work again" Bescheinigung. Das FV Hospital hat das alles sehr gut gemacht, Überprüfungen, CT vom Kopf, EEG in einer Uniklinik im Q5 (weil das FV Hospital diese Instrumente nicht hat)... Dann die "Gesundschreibung", die meine Firma brauchte.

Alle Kosten von A bis Z beliefen sich auf 9 mio dong.

Aber: WER hat mich ins FV Krankenhaus gebracht? WER hat mein Schrottmoped da hingestellt?? Ich wurde noch nicht mal ausgeraubt!!! Iphone, Bargeld, Kreditkarten, alles da!!!

Als ich den mich behandelnden Arzt fragte: Wer hat mich hergebracht?
Da kam als Antwort: WARUM willst du das wissen? 
Ich antwortete: weil ich danke sagen möchte.
Aber er schüttelte nur mit dem Kopf.

OfflineBenutzer-Profile anzeigenPrivate Nachricht senden    
csba
Moderator





Anmeldungsdatum: 02.06.2012
Beiträge: 983


blank.gif

BeitragVerfasst am: 05.07.2013, 23:12    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Eure Erzaehlungen sind sehr aufschlussreich! Ich danke Euch sehr dafuer. Ich muss jedoch zugestehen, dass sich meine Erfahrungen "eher" mit den Erzaehlungen von Thomas W., Chevalier, Hoian 1985 und Niko abdecken.

So wurde zum Beispiel der Sohn eines in unserer Stadt sehr angesehenen Bankdirektors nach einem Mopedunfall in einer Nachbarstadt totliegengelassen, weil ihn keiner wiedererkannt hat und weil sich keiner um ihn gekuemmert hat. Seine Eltern haben wochenlang nach ihm gesucht und auch die Ortspolizei verstaendigt. Aber es war zu spaet. Der 20 jaehrige Sohn war auch ihr einziges Kind gewesen. Der Verlust war riesegross.

csba

_________________
γνῶθι σεαυτόν - Erkenne Dich selbst!

OfflineBenutzer-Profile anzeigenPrivate Nachricht senden    
Nghia
Gast





Anmeldungsdatum: 27.03.2010
Beiträge: 128


blank.gif

BeitragVerfasst am: 06.07.2013, 11:42    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Ich bin jetzt aber schockiert, ich habe letzten Geschichte von meiner Mutter gehört. Die ich nicht wirklich wahr genommen habe und eher lustig darüber gemacht habe, aber die Hintergründe sind ja wirklich ernst in Vietnam.

Quellen Verwandtschaft und Bekanntschaft aus Vietnam

1. Sterben lassen ist besser als behindert sein.
Sie erzählten mir, dass bei einem schweren Unfall, der Verursacher öfter versucht hatte, das Opfer lieber zum "tot führen/fahren" als "schwer berhindert" weiterleben lassen. Weil bei einem Todesfall die finanzielle Strafe geringer ist, ansonsten muss das Opfer lebenslang versorgt werden. Ich konnte nicht beurteilen wie viel Wahrheit dahinter steckt, aber wie es aussieht, sind die Umständen in Vietnam ein ganzes Stück anders.

2. Helfer zum Opfer
Bei einem Unfall wurden zwei oder mehreren Menschen verletzt, als ein Helfer einen der Verletzten zum Krankenhaus brachte und ihm retten konnte, sollte man meinen, er tat was "richtiges". Später wurde festgestellt, dass unter der Toten "der Sohn eines Beamters" war. Irgendwie wurde der Helfer als Mittäter (kA wer überhaupt Schuld war) verurteilt und er kam ins Gefängnis.

Dennoch wurde ich niemann auf die Straße liegen lassen, ein Notarzt würde ich immer anrufen. Die Behandlung im Krankenhaus kann man(die Familie) bestimmt nach dem "Identifizieren" ja noch entscheiden oder?

OfflineBenutzer-Profile anzeigenPrivate Nachricht senden    
onscho
Moderator





Anmeldungsdatum: 27.12.2009
Beiträge: 368


blank.gif

BeitragVerfasst am: 06.07.2013, 15:16    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Und da gibts gleich noch mehr Probleme. Nämlich ob der Notarzt 1) vorhanden ist 2) ,überhaupt ausrückt und 3) mit seinem dicken Auto zum Unfallort durchkommen kann, bevor die Verletzten tot sind
OfflineBenutzer-Profile anzeigenPrivate Nachricht senden    
Niko
Gast










BeitragVerfasst am: 06.07.2013, 15:40    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Gibt es denn überhaupt Notärzte in Vietnam? Ich kenne keinen.

Niko

Online    
Tkn84
Gast



Geschlecht:
Alter: 40
Anmeldungsdatum: 18.02.2012
Beiträge: 62
Wohnort: Deutschland


vietnam.gif

BeitragVerfasst am: 06.07.2013, 17:07    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

« Nghia » hat folgendes geschrieben:
1. Sterben lassen ist besser als behindert sein.
Sie erzählten mir, dass bei einem schweren Unfall, der Verursacher öfter versucht hatte, das Opfer lieber zum "tot führen/fahren" als "schwer berhindert" weiterleben lassen. Weil bei einem Todesfall die finanzielle Strafe geringer ist, ansonsten muss das Opfer lebenslang versorgt werden. Ich konnte nicht beurteilen wie viel Wahrheit dahinter steckt, aber wie es aussieht, sind die Umständen in Vietnam ein ganzes Stück anders.


Als ich meine Freundin auf die Erfahrungen im Eingangs-Posting von Thomas W. angesprochen hab, hat sie mir auch direkt davon erzählt. Es ist zwar sicher nicht die Regel, scheint aber durchaus vorzukommen. Da musste ich erst mal schlucken ...

Mal ein Extremfall zum Nachdenken: Sollte mich mal jemand anfahren und verletzen, käme doch eigtl. meine Auslandsversicherung für alles auf. Aber da ich die Police nicht auf der Stirn oder auf einem großen Schild vor mir her trage, könnte der Verursacher unter Umständen auf ganz schön (zumindest für mich) dumme Gedanken kommen. Schöne Aussichten ^^

Naja, freu mich trotzdem auf meinen nächsten Trip nach Vietnam.

VG
Tkn84

OfflineBenutzer-Profile anzeigenPrivate Nachricht senden    
Choki
Gast



Geschlecht:

Anmeldungsdatum: 05.04.2013
Beiträge: 199
Wohnort: Saigon


blank.gif

BeitragVerfasst am: 06.07.2013, 17:25    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Wiederholung.
Mir ist es anders ergangen.

OfflineBenutzer-Profile anzeigenPrivate Nachricht senden    
Nanu Nana
Gast



Geschlecht:
Alter: 31
Anmeldungsdatum: 19.05.2013
Beiträge: 51


germany.gif

BeitragVerfasst am: 07.07.2013, 06:29    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Irgend einer hat schon geschrieben gehabt: assozial!! Nix anderes ist das Verhalten!! Wo wir in Vietnam waren da hatten wir auch einen Unfall gehabt und es sind alle vorbeigefahren ohne sich den Dreck drum zu scheren außer saublöde zu glotzen wie Affen wenn die Banane vom Baum gefallen ist!!
Gefragt ob die uns ins Krankenhaus bringen sollen oder was in der Art hat niemand. Gestorben wären wir auf den Weg dahin aber sowieso nicht weil wir nur beide an die Füße verletzt waren da hätten die uns ruhig ohne Angst helfen können. Die Chokie hat einfach bloß glück gehabt das sie nen heiligen Samariter oder so getroffen hat oder der war betrunken und wußte darum gar nicht was der macht. Sehr glücklich

OfflineBenutzer-Profile anzeigenPrivate Nachricht senden    
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:      
Neues Thema eröffnenNeue Antwort erstellen


 Gehe zu:   



Berechtigungen anzeigen


Geschützt durch CBACK CrackerTracker
2.6568750028727E+23 abgewehrte Angriffe.

Powered by Orion based on phpBB © 2001, 2002 phpBB Group
CBACK Orion Style based on FI Theme
Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde



[ Page generation time: 0.1254s (PHP: 33% - SQL: 67%) | SQL queries: 20 | GZIP enabled | Debug on ]